Ökumene

Ökumene =Überwindung der Trennung

 

Der Begriff „Ökumene“ stammt vom griechischen Wort „oikoumene“ und steht für „die (ganze) bewohnte Erde“ bzw. für den „Erdkreis“. Dabei geht es um gegenseitige Anerkennung, gemeinsame Sorge um Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, um gemeinsames Beten und letztlich um eine Gemeinschaft auch im Gottesdienst.

Die Erzdiözese Wien bekannt sich dazu, dass das Ziel der Ökumene die Einheit der Christen ist. Das heißt die Überwindung der Trennung in einzelne Kirchen oder Konfessionen und die Anerkennung der Vielfalt an Traditionen.

 

Veranstaltungen

 

Weltgebetstag der Frauen

Jeweils am ersten Freitag im März feiern christliche Frauen in über 170 Ländern (!!) den ökumenischen Gottesdienst zum Weltgebetstag. Das Besondere dabei: Die Liturgie verfassen jeweils Frauen eines Landes für die ganze Welt. Allerdings ist der Weltgebetstag der Frauen keine Aktivität nur für Frauen, sondern er heißt so, weil er von Frauen gestaltet wird.

Seit 1968 besteht das Internationale Komitee des Weltgebetstags, dessen Büro seinen Sitz in New York hat. Alle vier Jahre treffen sich die Delegierten der nationalen Komitees zum Erfahrungsaustausch und um unter anderem die Weltgebetstagsthemen sowie jene Länder zu bestimmen, die die Gottesdienstordnungen vorbereiten.

In allen teilnehmenden Ländern finden jedes Jahr intensive Vorbereitungen zum Land und der Situation von Frauen statt; Bibelarbeiten fördern das bessere Verständnis über nationale und konfessionelle Grenzen hinweg. Durch kreative Gottesdienstgestaltung werden die Botschaft der Frauen und ihre Lebenssituation lebendig. Frauen bereiten die Gottesdienste für die ganze Gemeinde vor und stärken dadurch ihre Verantwortung vor Ort.

Im gemeinsamen Gebet entsteht weltweit
Solidarität von Frauen.

Die Feiern zum Weltgebetstag der Frauen finden nicht als zentrale Veranstaltung statt, sondern in unzähligen, von Frauen vorbereiteten und durchgeführten ökumenischen Gottesdiensten in den Gemeinden.

Nähere Infos finden Sie auf der Weltgebetstags-Homepage www.weltgebetstag.at

 

Rückblick

 

Ökumenischer Gottesdienst am Pfingstmontag, 5.6.2017 in St. Erhard


Es hatte aber alle Welt einerlei Zunge und Sprache. Als sie nun von Osten aufbrachen, fanden sie eine Ebene im Lande Schinar und wohnten daselbst. Und sie sprachen untereinander: Wohlauf, lasst uns Ziegel streichen und brennen! – und nahmen Ziegel als Stein und Erdharz als Mörtel  und sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen Turm bauen, dessen Spitze bis an den Himmel reiche, dass wir uns einen Namen machen; denn wir werden sonst zerstreut über die ganze Erde. Da fuhr der HERR hernieder, dass er sähe die Stadt und den Turm, die die Menschenkinder bauten. Und der HERR sprach: Siehe, es ist einerlei Volk und einerlei Sprache unter ihnen allen und dies ist der Anfang ihres Tuns; nun wird ihnen nichts mehr verwehrt werden können von allem, was sie sich vorgenommen haben zu tun. Wohlauf, lasst uns herniederfahren und dort ihre Sprache verwirren, dass keiner des andern Sprache verstehe! So zerstreute sie der HERR von dort über die ganze Erde, dass sie aufhören mussten, die Stadt zu bauen. Daher heißt ihr Name Babel, weil der HERR daselbst verwirrt hat aller Welt Sprache und sie von dort zerstreut hat über die ganze Erde.“

Gen. 11,1-9

Predigt von Lektor Leo Warzecha, evangelische Pfarrgemeinde in Wien-Liesing:

Liebe Schwestern und Brüder!

2017 ist das Jahr der Jubiläen. Für uns Christen das bedeutendste Jubiläum ist das Reformationsjubiläum. Vor 500 Jahren, am 31. Oktober 1517 hat Martin Luther mit seinen 95 Thesen jenen Prozess eingeläutet, der die Reformation genannt wird.

Als Österreicher interessiert uns aber noch ein weiteres Jubiläum. Vor 300 Jahren ist Maria Theresia geboren, die die Geschichte unseres Landes maßgebend geprägt hat. Schließlich gibt es noch kleinere Jubiläen, die nicht so im Fokus der Aufmerksamkeit stehen. So habe ich vor kurzem in einer Zeitung gelesen, dass vor 20 Jahren der Film „Titanic“ in die Kinos kam. Als ich diese Notiz las, dachte ich mir: „Die Titanic passt zum Pfingstmontag“. Warum? Nun, das werden wir gleich merken.

Die Titanic wurde 1908 gebaut und war damals das größte Passagierschiff der Welt. Ein wahrer Triumph menschlicher Technik. 1911 wurde sie in Dienst gestellt und galt als unsinkbar. Eine englische Zeitung schrieb damals: „Nicht einmal Gott kann die Titanic versenken.“

Wie falsch und vermessen dieser Satz war, sollte sich ein Jahr später herausstellen. Die Titanic – luxuriöser und größer als jedes andere Schiff. Die Titanic – Symbol für die Macht des Menschen über die Unwägbarkeiten der Natur. Die Titanic – Verkörperung der Sehnsucht nach Allmacht und Größe – sie ist sehr wohl versunken, durch den Zusammenstoß mit einem Eisberg.

Der Traum von der Allmacht des Menschen ist so alt wie die Menschheit. Und jetzt werden Sie gleich merken, dass die Titanic tatsächlich zum Pfingstmontag passt. Denn der Bibeltext, den ich vorgelesen habe, spricht ja auch von diesem Traum nach Allmacht. „Auf, bauen wir eine Stadt und einen Turm mit der Spitze bis in den Himmel!“, rufen die Menschen in dieser Geschichte.

Türme sind Symbole der Macht. In den 60-er Jahren erbaute das DDR-Regime den Fernsehturm auf dem Alexanderplatz in Berlin. Noch heute prägt er das Bild der Stadt, aber die DDR ist längst Geschichte. Dubai im Nahen Osten – dort hat man den Turm „Burj Khalifa“ erbaut, 830 Meter hoch. So hat sich ein kleines Land ein Bild von Macht und Größe errichtet. Doch in der Zwischenzeit baut man in Malaysia einen Turm, der noch höher sein wird.

Wer Macht und Größe zerstören will, zerstört Türme. So war es nur konsequent, dass die Attentäter vom 11. September 2001 die Twin-Tower in New York zerstörten und damit 3000 Menschen in den Tod rissen.

In der Bibel wird der Turmbau mit der Verwirrung der Sprachen verbunden. Literaturgeschichtlich haben wir es mit einer sogenannten Ätiologie zu tun. Das ist der Versuch zu erklären, wieso es auf der Erde so viele verschiedene Sprachen gibt, die das Verstehen erschweren. Aber ist es wirklich die Vielzahl von Sprachen, die die Verständigung so schwer machen? Ich selber war schon öfter mit Menschen aus den unterschiedlichsten Nationen zusammen, die die verschiedensten Sprachen sprachen. Und trotzdem herrschte eine harmonische Atmosphäre, herrschte eine Art Verständigung der Herzen.

Nein, die Ursache für das Nicht-Verstehen-Können liegt ganz woanders. Sie liegt darin, dass Menschen sich selbst absolut setzen. Sich absolut setzen als Einzelpersonen oder als Gruppe: als politische Parteien, als Glaubensgemeinschaften, als Völker. Wo Menschen sich absolut setzen, ist Verstehen nicht mehr möglich, selbst wenn sie dieselbe Muttersprache haben. Denn die Menschen reden dann nur mehr an einander vorbei. Das gibt es in Ehen, in Familien, in Kirchengemeinden, in Ländern und Staaten, zwischen Völkern. Mir scheint, dass dieses An-Einander-Vorbeireden heute besonders stark verbreitet ist. Gerade die sozialen Netzwerke scheinen das zu fördern. Auf Facebook, in Whats-App-Gruppen kommunizieren die Menschen ja nur mehr mit anderen, die genau gleich denken. So entstehen richtige Blasen, in denen sich die Menschen einigeln. Wenn jemand dennoch anders denkt, wird er rasch zum Unmenschen erklärt, wird beschimpft und verachtet und mit einem Shitstorm überschüttet.

Dieses einander Nicht-Verstehen-Können hat es in der Geschichte der Christenheit leider auch gegeben. Gerade das Reformationsjubiläum erinnert uns daran. Deshalb feiere ich dieses Jubiläum mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Einerseits freue ich mich, dass Luther die befreiende und froh machende Botschaft des Evangeliums wieder entdeckt hat, nachdem sie in der mittelalterlichen Kirche leider verschüttet war. Andrerseits hat dies in der Folge zur Trennung der Christenheit geführt. Damals gab es noch kein Internet, und dennoch überschütteten die Kontrahenten einander mit Hass und Verachtung. Der Papst denunzierte Luther als „wild gewordenen Eber, der den Weinberg des Herrn verwüstet“. Die Reformatoren ihrerseits waren auch nicht gerade zimperlich. Der Papst wurde als „Esel“ oder „elender Nachttopf zu Rom“ beschimpft. Eine fürchterliche Verrohung der Sprache, die in der Folge dazu führte, dass Christen einander abschlachteten. Der 30-jährige Krieg war der traurige Höhepunkt. Aber auch später, als schon Friede herrschte, gingen Katholiken und Protestanten alles andere als geschwisterlich miteinander um. In katholischen Ländern wurden Protestanten verfolgt, in evangelischen Ländern waren Katholiken Menschen zweiter Klasse.

Ich empfinde Scham über diese unsere gemeinsame Geschichte. Und wie viele andere auch leide ich über die Trennung der Christenheit. Johannes Paul II. schreibt in einem Buch über ein ökumenisches Treffen in Kamerun. Darin zitiert er Vertreter einer protestantischen Kirche, die sagten: „Wir wissen, dass wir getrennt sind, aber wir wissen nicht warum.“

Wissen wir das wirklich nicht? Ich denke, der Grund liegt eben darin, dass jede Seite für sich einen Absolutheitsanspruch erhob. Nur wir haben Recht, nur wir deuten die Sache Jesu richtig. Die anderen sind dann immer Ketzer. Beide Seiten haben das getan! So war ein Verstehen nicht möglich.

Gott sei Dank ist das heute vorbei. Die Gräben, die Katholiken und Evangelische einst trennten, sind heute größtenteils überwunden. Freilich bleiben noch Unterschied: im Sakramentsverständnis, in der Frage des Abendmahls, in der Ämterfrage. Wie können wir hier, wenn schon nicht zu einer Einigung, dann wenigstens zu einem besseren Verstehen des jeweils anderen kommen?

In unserem Bibeltext heißt es, dass Gott auf das anmaßende Tun der Menschen herabgestiegen ist und die Sprache der Menschen verwirrte, sodass sie einander nicht mehr verstehen konnten. Allerdings lautet es im hebräischen Original ein bisschen anders. Dort steht nämlich, dass Gott die Sprache der Menschen verwirrte, sodass niemand mehr auf den anderen hören konnte.

Die wichtigste Voraussetzung, um andere zu verstehen, ist auf andere zu hören. Seine Ohren öffnen, vor allem aber sein Herz für den/die andere. Vielleicht liegt ja gerade darin das Geheimnis der Pfingstbotschaft, wie sie in der Apostelgeschichte überliefert ist. Hier wird uns ja das Gegenstück zur babylonischen Sprachverwirrung geschildert. In Jerusalem lebten Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern, die die verschiedensten Sprachen sprachen. Plötzlich konnten sie die Apostel verstehen. Wie war das möglich? Haben die Apostel in Sekundenschnelle alle Sprachen der Welt gelernt? Das wohl nicht! Aber Gott hat ihnen durch Seinen Geist ihr Herz geöffnet, sodass sie die Angst verloren und sich nun ihren Mitmenschen so mitteilen konnten, dass sie verstanden wurden. Vielleicht war es nicht unbedingt ein Verstehen im verbalen Sinn, aber ein Verstehen der Herzen. Vielleicht ist ja gerade das das Wirken des Hl. Geistes, dass er uns die Herzen öffnet für andere.

Liebe Schwestern und Brüder! Pfingsten gilt als Geburtstag der Kirche. Die Kirche – das ist mehr als die Institution mit Pfarrern und Bischöfen, Superintendenten und dem Papst. Die Kirche – das ist der lebendige, geheimnisvolle Leib Christi. Alle Getauften, egal welcher Konfession, sind Glieder dieses einen Leibes. Das Haupt des Leibes aber ist und bleibt Christus.

Wenn wir, die Glieder dieses Leibes, mehr auf einander hören, dann werden wir einander achten und lieben. Dann hören die Unterschiede, die es zwischen uns gibt, auf, trennend zu wirken. Im Gegenteil: Dann können sie zur Bereicherung des einen Leibes Christi werden. Dann ist die Trennung eigentlich schon überwunden und wir haben Einheit in versöhnter Vielfalt. Möge Gottes Geist uns dazu bringen. Amen

 

 

Ökumenischer Gottesdienst am Pfingstmontag, 16.6.2016 in St. Erhard

 

Schwestern und Brüder!

Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem andern durch den gleichen Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, dem dritten im gleichen Geist Glaubenskraft, einem andern – immer in dem einen Geist – die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem andern Wunder- kräfte, einem andern prophetisches Reden, einem andern die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem an- dern verschiedene Arten von Zungenrede, einem andern schließlich die Gabe, sie zu deuten. Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.

1. Kor. 12,4-11

 

Predigt von Lektor Leo Warzecha, evangelische Pfarrgemeinde in Wien-Liesing:

Liebe Schwestern und Brüder!

Ich möchte zu Beginn eine chinesische Geschichte erzählen:

„Es war einmal eine alte Frau. Die hatte zwei große Schüsseln, die von den Enden einer Stange hingen, die sie auf ihren Schultern trug. Eine der Schüsseln hatte einen Sprung, während die andere makellos war. Wenn die alte Frau vom Wasserholen beim Brunnen heimkam, war die makellose Schüssel noch immer voll mit Wasser. Die andere Schüssel dagegen war nur mehr halbvoll. Denn da sie einen Sprung hatte, ging unterwegs Wasser verloren.

So ging das zwei Jahre lang. Jeden Tag brachte die Frau immer nur eineinhalb Schüsseln Wasser mit nach Hause. Die makellose Schüssel war natürlich sehr stolz auf ihre Leistung. Aber die Schüssel mit dem Sprung schämte sich , dass sie wegen ihres Makels nur die Hälfte dessen verrichten konnte, wofür sie eigentlich gemacht war.

Da sprach die Schüssel zu der alten Frau: „ich schäme mich so wegen meines Sprungs, aus dem auf dem ganzen Weg zu deinem Hause immer Wasser herausläuft.“

Die alte Frau lächelte und sagte: „Ist dir aufgefallen, dass auf deiner Seite des Weges Blumen blühen? Auf deiner Seite des Weges habe ich Blumensamen gesät, weil ich mir deines Fehlers bewusst war. Nun gießt du jeden Tag, wenn wir nach Hause gehen, die Blumen. Wenn du nicht genau so wärst, wie du bist, würde es diese vielen schönen Blumen am Wegrand nicht geben. Und niemand könnte sich daran erfreuen.“

Im Konfirmantenkurs erzählte ich den Konfirmanten einmal diese alte chinesische Geschichte. Da meinte einer von ihnen: „Eigentlich ist diese Frau dumm. Denn sie lässt einfach Wasser auslaufen, das sie selber gut gebrauchen könnte. Eine Verschwendung!“ Ja, so gesehen, schon. Aber diese Frau dachte nicht nur an ihren Vorteil. Sie wollte etwas von sich hergeben, das für andere wertvoll ist. Sie wollte, dass auch andere eine Freude haben an den schönen Blumen am Wegrand. Die Schüssel mit dem Sprung hat zwar einen Fehler, dennoch ist sie wertvoll für die Gemeinschaft.

Es ist ja oft so: Manche Fähigkeiten nehmen wir nicht so sehr als Gaben wahr, sondern eher als Makel. Und oft höre ich Menschen sagen: „Ich kann ja nicht so viel wie andere.“

Da stellt sich natürlich die Frage: Gibt es Fähigkeiten, Begabungen, die wertvoller sind als andere? Gibt es sozusagen eine Hierarchie der Begabungen?

Zumindest in der Kirche scheint es so eine Hierarchie zu geben. An der Spitze dieser Hierarchie der Begabungen steht das Predigen. Predigen ist das Wichtigste und Wertvollste in der Kirche – zumindest in der evangelischen. Denn durch die Predigt wird ja das Evangelium, die Frohe Botschaft, verkündigt.

Und was ist mit den anderen Tätigkeiten? Wird das Evangelium wirklich nur durch Reden verkündigt? Könnte es nicht sein, dass durch andere Tätigkeiten die Frohe Botschaft stärker und intensiver verkündigt wird als durch das Predigen? Eine Stunde bei einem kranken Menschen zu sitzen – ist das nicht mindestens ebenso wertvoll wie eine Predigt? Zeit mit einem alten, schon ein wenig dementen Menschen verbringen. Einem, der uns immer wieder dieselbe Geschichte erzählt, die wir schon in- und auswendig kennen. Das in Liebe aushalten – kommt da nicht mehr vom Evangelium rüber als durch die schönste Predigt? Ich kann nur sagen: Hut ab vor den Seelsorgern in den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Soll der Dienst, den sie leisten, weniger wertvoll sein als eine Predigt?

Paulus sagt uns: Alle Begabungen sind gleich gut, weil sie Geschenke Gottes sind. Sie werden dann wertvoll, wenn sie als solche Geschenke angenommen und zum Wohl anderer Menschen oder der Gemeinschaft eingesetzt werden.

Von den Gaben, die Paulus in unserem heutigen Predigttext aufzählt, erscheinen uns heutzutage manche etwas merkwürdig. Z. B. das Zungenreden. Also das unverständliche Daherstammeln infolge einer religiösen Ekstase, in die die Gläubigen im Gottesdienst geraten. Auch Paulus stand dem eher skeptisch gegenüber. Nun ist ja kaum zu befürchten, dass in unseren Gottesdiensten jemand in Ekstase gerät. Trotzdem blicken wir verächtlich auf jene, bei denen das tatsächlich passiert: z.B. die Pfingstler. Nun halte ich solche Praktiken auch für fragwürdig. Aber könnte es nicht sein, dass sich darin ein Protest gegen die stark ausgeprägt Kopflastigkeit unsrer westlichen Kirchen ausdrückt?

Andere von Paulus zitierte Gaben sind aber auch für uns moderne Christen durchaus bedeutsam. Da wird z.B. die Glaubenskraft genannt. Was ist denn damit gemeint? Dass jeder dogmatisch sattelfest ist? Nein! Paulus meint damit vielmehr den Mut, sich öffentlich zum Glauben zu bekennen. Davor aber haben wir zumeist Angst.

  • Wir haben Angst, uns lächerlich zu machen, wenn wir uns als gläubige Christen „outen“. Wir befürchten dann Reaktionen wie die: „Was, du glaubst noch an Gott? Glaubst Du wirklich, was in der Bibel steht? Die ist doch nur ein altes Märchenbuch.“ Wie sollen wir auf solche Reaktionen unserer Umwelt reagieren? Dabei wäre es gerade in einer pluralistischen Gesellschaft wie der unseren wichtig, sich zu seinem Glauben zu bekennen.

  • Wir haben Angst, als intolerant gescholten zu werden, wenn wir unseren Glauben öffentlich bekennen. In einer Talkshow hat ein deutscher Politiker auf die Frage, ob er den katholischen Glauben für wahr hält, mit Ja geantwortet. Mehr hat er nicht gebraucht. Ein Shitstorm ist über ihn ausgebrochen. „Intoleranz, Diskriminierung anderer Religionen“ und vieles andere mehr wurde ihm vorgeworfen. Aber warum eigentlich? Hat er andere gezwungen, katholisch zu werden? Nein! Sich zu einer Religion, oder auch einer Weltanschauung zu bekennen, setzt doch voraus, sie für wahr zu halten. Sonst wäre ein Bekenntnis ja sinnlos. Das nimmt anderen nicht das Recht, ihre Religion, ihre Weltanschauung für wahr zu halten.

  • Dann natürlich auch noch die Angst, als altmodisch, nicht zeitgemäß zu gelten. Besonders wir Protestanten haben diese Angst. Denn wir legen großen Wert darauf, zeitgeistig zu sein. Alles darf man uns vorwerfen, bloß nicht altmodisch zu sein.

Nun besteht das Wesen von Pfingsten ja darin, Angst zu nehmen. So wie den Jüngern damals vor 2000 Jahren will auch uns der Geist die Angst nehmen.

Eine weitere auch für uns bedeutsame Gabe ist die „prophetische Rede.“ „Ich bin ja kein Prophet.“ hat Bürgermeister Häupl auf die Frage, wer die Bundespräsidentenwahl gewinnen wird, geantwortet. Diese Antwort zeigt ein falsches Verständnis von Prophet. Im biblischen ist ein Prophet mitnichten ein Wahrsager, der die Zukunft voraussagt. Ein Prophet ist vielmehr jemand, der die Gegenwart scharfsinnig analysiert. Der sieht, was falsch läuft und der zur Umkehr mahnt. Den Mut zu warnen, zur Umkehr aufzurufen, würde ich mir für unsere Kirchen wünschen.

Eine Gabe, die damit eng zusammenhängt, ist die Unterscheidung der Geister. Vorher hab ich gesagt, dass wir uns aus Angst, nicht zeitgemäß zu sein, einfach unkritisch an den Zeitgeist anpassen. Das ist schlecht. Schlecht ist aber auch das andere Extrem, den Zeitgeist in Bausch und Bogen zu verdammen. Es ist ja durchaus einiges gut am Zeitgeist. So z.B. sind wir heute sensibler geworden für Verletzungen der Menschenwürde. Wir sind offener für Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Das ist alles nur begrüßenswert. Freilich gibt es auch schlechte Seiten des Zeitgeistes. So z.B. die maßlose Egozentrik unserer Zeit und der Umstand, dass alle Bereiche des Lebens immer mehr den Gesetzen der Wirtschaft unterworfen werden. Menschen werden zu Kostenfaktoren erklärt. Und das ist eine schlimme Nachricht v.a. für jene, die nichts leisten können: Kranke, Behinderte, Alte, Sterbende. Gerade für sie müssen wir Christen unsere Stimme erheben.

„Es gibt verschiedene Gaben: aber es ist ein Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber es ist ein Herr. Und es gibt verschiedene Kräfte, aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“

Es ist der eine Geist, der weht, wo er will. Und der dabei nicht fragt, ob die Kirche, in der er gerade weht, evangelisch oder katholisch ist. Es ist der eine Herr – Jesus Christus -, der das wahre Haupt der Kirche aller Konfessionen ist. Jesus Christus, der einzige Maßstab, nach dem wir Christen unser Leben ausrichten sollen. Es ist der eine und einzige Gott, der Vater Jesu Christi, der Seine Liebe allen Seinen Kindern schenkt.

Ich habe meine Predigt mit einer Geschichte begonnen. Mit einigen Sätzen aus einer anderen Geschichte will ich sie beenden. Es ist die Geschichte „Momo“ von Michael Ende.

„Was die kleine Momo konnte wie kein anderer, das war: Zuhören. Momo konnte so zuhören, dass dummen Leuten plötzlich gescheite Gedanken kamen … Sie konnte so zuhören, dass ratlose oder unentschlossene Leute auf einmal ganz genau wussten, was sie wollten. Oder dass Schüchterne sich plötzlich frei und mutig fühlten. Oder dass Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh wurden.“

Eben das ist es, was der Hl. Geist in uns Christen bewirken will: Ängstlichen Mut machen, Ratlosen mit Rat und Tat beistehen, Unglückliche und Bedrückte zuversichtlich und froh machen. Amen

 

Ökumenischer Gottesdienst am Pfingstmontag, 25.5.2015 in St. Erhard

Jesus sprach: Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben und bei ihm wohnen. Wer mich nicht liebt, hält an meinem Wort nicht fest. Und das Wort, das ihr hört, stammt nicht von mir, sondern vom Vater, der mich gesandt hat.

Das habe ich zu euch gesagt, während ich noch bei euch bin. Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich euch. Euer Herz beunruhige sich nicht und verzage nicht.“

Joh. 14,23-27

Predigt von Lektor Leo Warzecha, evangelische Pfarrgemeinde in Wien-Liesing:

„Liebe Schwestern und Brüder!

Mai und Juni sind für mich die schönsten Monate des Jahres. Endlich ist es wirklich Frühling. Alles blüht, die Bäume sind voller Laub. Grün, wohin man schaut.

Mai und Juni sind für mich aber auch deshalb die schönsten Monate, weil da die meisten Geburtstagsfeiern stattfinden. Denn viele meiner Verwandten und Freunde haben gerade in diesen Monaten Geburtstag. Eröffnet hat den Reigen der Geburtstagsfeiern vor zwei Wochen meine Tochter. Im Juni haben dann nicht weniger als vier Verwandte und zwei meiner Freunde Geburtstag. Schließlich habe ich selbst im Juni das Licht der Welt erblickt, was ja wohl auch ein Grund zum Feiern ist.

Doch nicht nur ich und meine Familie feiert in diesen Monaten Geburtstag. Immer im Mai oder Juni feiert auch die christliche Kirche ihren Geburtstag. Denn in diese Zeit fällt immer das Pfingstfest. Und Pfingsten gilt als der Geburtstag der Kirche. Wenn das kein Grund zum Feiern ist?

Trotzdem führt Pfingsten ein eher stiefmütterliches Dasein unter den großen christlichen Festen. Weihnachten – ja, das ist halt wirklich ein großes Fest. In den Augen der meisten Menschen gilt es als das wichtigste Fest des Jahres, obwohl das theologisch betrachtet nicht stimmt. Aber es ist schon wahr – zu keiner Zeit im Jahr sind wir so festlich gestimmt wie zu Weihnachten. Warum eigentlich? Ist es wegen der Geschenke? Der Geschenke, die wir bekommen und auch derjenigen, die wir anderen schenken? Oder ist es, weil wir gerade in dieser Zeit besonders rührselig gestimmt sind? Oder ist es der Inhalt des Festes: die Geburt Jesu?

Bei Ostern ist die Sache nicht mehr ganz so klar. Zwar wird dieses Fest von den meisten Menschen gefeiert. Doch viele verbinden Ostern eher mit dem Osterhasen als mit der Auferstehung.

Bei Pfingsten aber müssen die meisten passen. Auf die Frage: „Warum feiern wir eigentlich Pfingsten?“, antworten die meisten: „So genau weiß ich das eigentlich nicht.“ Überhaupt ist es den meisten egal, sie freuen sich einfach, dass sie ein paar Tage frei haben. Und da zu Pfingsten das Wetter meistens – aber wie wir heuer sehen: keineswegs immer – schon schön ist, nützen viele es für einen Kurzurlaub.

Selbst bekennende und wie man so schön sagt: praktizierende Christen tun sich in Wahrheit nicht leicht mit diesem Fest. Sie wissen zwar, dass es zu Pfingsten um den Hl. Geist geht. Doch sie fragen sich oft: Was ist das eigentlich – der Hl. Geist? Gott-VAter – ja, das verstehen die Menschen, Er ist der Schöpfer. Gott-Sohn, also Jesus auch noch, er hat uns erlöst. Aber wozu braucht es dann eigentlich noch den Geist? Kinder denken bei dem Wort Geist ja zumeist an ein Gespenst. Und selbst viele Erwachsene haben mit diesem Wort ihre Schwierigkeiten. Für sie ist es etwas Vages, nicht wirklich Fassbares, mit dem sie nicht viel anfangen können.

Ist es nur ein sprachliches Problem, dass viele mit dem Wort Geist nichts Sinnvolles verbinden können, weil dieses Wort im Deutschen so oft mit Gespenst in Verbindung gebracht wird? In den klassischen Sprachen steckt in dem Wort Geist sehr viel Konkretes drinnen. Sowohl im Hebräischen wie auch im Griechischen können die jeweiligen Worte für Geist auch Wind bedeuten. Und der Wind, der bewegt: er wirbelt Blätter durch die Luft, er weht einem den Hut vom Kopf. Manchmal, wenn sich der Wind zu einem starken Sturm oder gar Tornado auswächst, kann seine Kraft auch zerstörerisch sein. Kurzum: in den klassischen Sprachen ist Geist das, was bewegt, was in Bewegung setzt, der Motor sozusagen.

Und genau das geschieht auch zu Pfingsten: Die Jünger werden in Bewegung gesetzt. Gestern am Pfingstsonntag haben wir es in der Lesung aus der Apostelgeschichte gehört. Nachdem Jesus zu Gott zurückgekehrt ist, sind die Jünger verunsichert. Ängstlich sitzen sie in einem Haus, haben Türen und Fenster fest verschlossen und harren der Dinge, die da kommen sollen. Und dann kommt er tatsächlich – der Hl. Geist. In Form von Wind und Feuerzungen kommt er über sie. Und das hat die Jünger total verändert. Die ängstlichen Stubenhocker wurden bewegt, hinaus zu gehen auf die Straßen und den Menschen von Jesus und dem Evangelium zu erzählen. Ohne Angst vor irgendwem.

In diesem Ereignis liegt der Ursprung der Kirche. Hätte es Pfingsten nicht gegeben, gäbe es keine Kirche. Also ist es berechtigt, Pfingsten als Geburtstag der Kirche zu bezeichnen. Doch da stellt sich die Frage: welche Kirche feiert eigentlich Geburtstag? Die römisch-katholische, die orthodoxe, die lutherische oder die reformierte, oder die anglikanische? Wie ist das mit den Freikirchen und christlichen Sekten? Es gibt ja so viele christliche Kirchen und Gemeinschaften, und sie alle führen ihren Ursprung auf dieses Pfingstereignis zurück. Trotzdem haben sich die christlichen Kirchen im Lauf der Geschichte immer wieder gestritten und einander oft auch blutig bekämpft. Das tun sie heute – Gott sei Dank – nicht mehr. Aber trotzdem gibt es immer noch Menschen, die auf den Unterschieden zwischen den Kirchen mehr beharrten als auf den vielen Gemeinsamkeiten. Ein Außenstehender mag denken: Wenn die Christen untereinander so uneinig sind, dann kann es mit dem Christentum nicht weit her sein. Worauf kommt es also im Christentum wesentlich an – unabhängig von der jeweiligen Konfession?

Jesus sagt es im heutigen Evangelium so: „Wer mich liebt, der wird mein Wort halten.“ Im Christentum geht es also wesentlich darum, das Wort Jesu zu halten. Aber was ist sein Wort, oder besser in der Mehrzal: Was sind die Worte Jesu? Sie lassen sich im Grunde in einen Satz zusammenfassen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und mit all deiner Kraft und deinen Nächsten wie dich selbst.“ Daran – an der Liebe zu Gott und den Nächsten – ist Christentum also zu erkennen. Und daran ist auch zu erkennen, ob Gott wirklich bei uns wohnt – wie Jesus im Evangelium weiter verheißt.

Aber wollen wir Gott überhaupt bei uns wohnen lassen? Wollen wir Ihn gratis bei uns wohnen lassen oder verlangen wir eine Miete? Die Miete würde dann wohl darin bestehen, dass Gott sich immer so verhalten muss , wie wir es von Ihm erwarten. Was aber, wenn Er das nicht tut? Immer wieder müssen wir erkennen, dass Gott sich ganz anders offenbart als wir es uns erwarten. Bisweilen sogar erschreckend anders! Kündigen wir Ihm dann das Wohnrecht bei uns auf? Hören wir dann auf, Ihn zu lieben? Oder lassen wir zu, dass Gott immer wieder sich ganz anders erweist, als wir von Ihm denken?

Der Theologe Fulbert Steffensky sagt: „Gott lieben, heißt auch an Ihm leiden.“ Es aushalten können, dass Gott immer wieder anders ist als wir es uns erwarten. Wenn wir Gott wirklich bei uns wohnen lassen, dann müssen wir es auch aushalten, dass Er anders ist, als wir es uns erwarten. Dann kann es schon sein, dass Gott uns unsere lieb gewordenen Gewohnheiten austreibt. Dann kann es durchaus geschehen, dass Er die Möbel in unserem Haus einfach umstellt. Dann kann es sein, dass er gerade die, wie wir immer für ansehnlichsten und wertvollsten halten, in den Keller räumt. Wenn wir Gott wirklich bei uns wohnen lassen, werden wir feststellen – vielleicht sogar mit Entsetzen -, dass Er sich nicht nur einen lieblichen Herrgottswinkel bei uns einrichten will. Nein, Er will ganz bei uns wohnen, unsere ganze Persönlichkeit will Er ergreifen. Mit einem Wort: Der Hl. Geist, der bei uns wohnen will, rührt ganz schön um. Aber genau dadurch kann Er uns dazu bewegen, das Wort Jesu von der Liebe immer wieder neu zu leben.

Nun muss ich offen zugeben, dass ich mir mit dem Wort Liebe manchmal schwer tue. Zu oft verwenden wir es gedankenlos. Zu oft ist es gebraucht und auch mißbraucht worden. Liebe wie Jesus sie meint hat nichts zu tun mit Gefühlsduselei. Sie ist vielmehr eine innere Haltung, eine Einstellung, die den Nächsten, den Mitmenschen be-jaht, auch wenn er uns nicht besonders sympathisch ist. Der zum Mitmenschen ja sagt, auch wenn wir ihn nicht riechen können.

Aber gerade diese Liebe im Sinne Jesu kann viel bewegen. Sie öffnet uns die Augen, sodass wir sehen, was unsere Mitmenschen bewegt, welche Anliegen sie haben, wo es Not gibt.

Sie öffnet uns die Ohren, sodass wir hören, was unsere Mitmenschen wirklich sagen wollen. Dass wir auch die leisen Töne und die Zwischentöne hören. Denn die Not schreit keineswegs immer laut. Oft äußert sie sich nur in einem ganz leisen, kaum hörbaren Schluchzen oder Seufzen.

Sie öffnet uns den Mund, sodass wir für die sprechen, die selber keine Stimme haben. Für die Kinder und Jugendlichen, für die Ungeborenen, für die Alten, die Behinderten und schwer Kranken. Auch für die Menschen, die auf der Flucht sind vor Krieg, Gewalt und Verfolgung.

Vor allem aber öffnet uns diese Liebe unser Herz, sodass wir an niemandem mehr achtlos vorüber gehen, sondern uns bewegen lassen von der Not der Anderen.

Wenn die Liebe uns dazu bewegt, dann halten wir Jesu Wort wirklich. Und dann wohnt Gott wirklich bei uns, unter uns und in uns.

Der Geist weht, wo er will,“ sagt Jesus. Der Geist lässt sich nicht einfangen, Er lässt sich nicht zwingen. Der Geist weht dort, wo Menschen offen sind für ihn. Der Geist weht dort,wo Menschen bereit sind, sich von Ihm bewegen zu lassen. Wer, wenn nicht wir Christen, sollten diese Menschen sein? Amen

 

Ökumenischer Gottesdienst am 18. Jänner 2015

„Gib mir zu trinken“ (Joh 4/7) war das Motto der heurigen Gebetswoche für die Einheit der Christen und des Ökumenischen Gottesdienstes in der evangelischen Johanneskirche. Gläubige der katholischen Pfarren unseres Dekanats und der evangelischen Gemeinde Liesing haben – teilweise eng gedrängt – gemeinsam um die Einheit im Glauben gebetet. Frau Heide Matausch, Wortgottesdienstleiterin der Pfarre Rodaun, hat in einer eindrucksvollen und berührenden Predigt hervorgehoben, dass es für unsere tiefere Gemeinschaft nicht notwendig ist, dass wir uns alle auf ein gemeinsames Lehrgebäude einigen und alle theologischen und praktischen Unterschiede einebnen. Ihre Worte boten auch Gelegenheit, sich bei der anschließenden Agape intensiv darüber auszutauschen. Fotos dieses Gottesdienst finden Sie in unserer Fotogalerie unter „Ökumenischer Gottesdienst am 18.1.2015“.

Hier können Sie den Predigttext von Frau Matausch (nach)lesen:

„Es ist mir eine Ehre und eine Freude, dass ich heute einige Gedanken zum Thema des Gottesdienstes mit euch teilen darf.

Das Motto dieser Gebetswoche ist „Gib mir zu trinken!“, und es bezieht sich auf das Gespräch am Jakobsbrunnen, das wir gerade gehört haben:

Jesus ist durstig, und er bittet eine Samariterin, also aus jüdischer Sicht eine Ketzerin, um Wasser. Das ist erwähnenswert, weil es auch damals strenge Regeln gab, den Kontakt mit Andersgläubigen möglichst zu meiden. Jesus setzt sich darüber hinweg und wird uns dadurch zum Vorbild: Auch wir sollen uns nicht scheuen, einander um Wasser zu bitten, und dieses lebenswichtige Wasser kann für vieles stehen: zwischenmenschliche Unterstützung und gegenseitige Hilfe, oder Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden. Wir werden immer wieder bedürftig sein, keine Kirche hat die Weisheit für sich allein gepachtet, und so sind wir von Jesus aufgefordert, einander über die Grenzen der Konfessionen zu stärken und voneinander zu lernen

Wenn das ohne Angst und Ressentiments möglich ist, ist das schon viel. Unsere Geschichte, war vielfach eine Geschichte der Abgrenzung, Machtkämpfe, Unterdrückung und Gewalt und hat Wunden zurückgelassen. Auch wenn die christlichen Kirchen heute zum Glück schon näher zusammengerückt sind, wird der Umgang mit Andersgläubigen gerade wieder zum gesellschaftlichen Problem. Aber auch bei uns gibt es immer noch Stimmen und Bestimmungen, die aus Sorge um den richtigen Glauben der Ökumene Grenzen setzen wollen.

Das Evangelium geht hier weiter und vor allem tiefer: Jesus schlägt eine Brücke von seinem körperlichen Durst zum spirituellen Durst der Menschen. Das Wasser, das wir in diesem Sinn voneinander erbitten können, sind z.B. Schriftdeutungen und Glaubenszeugnisse, eine schöne Tradition, ein ermutigendes Ritual. Das kann sehr hilfreich und bereichernd für uns sein. Trotzdem kommt all das zunächst von außen an uns heran und wird nicht gleich Teil unserer Innenwelt. Deshalb werden wir auch spirituell wieder durstig, d.h. wir brauchen diese Bestätigung für unseren Glauben immer wieder. Jesus stellt dem von außen bewirkten Glauben das lebendige Wasser gegenüber, das in uns selbst zur Quelle wird: der Glaube kann und soll sich aus eigener innerer Erfahrung nähren. Das ist nicht einfach machbar, es ist ein Geschenk Gottes, der das in uns bewirkt. Wir erleben das z.B., wenn wir unsere Mitte zu spüren beginnen, den Seelengrund, in dem wir nicht von Gott getrennt sind, sondern mit ihm und damit auch miteinander verbunden. Das ist eine Erfahrung, die Jesus selbst gemacht hat und auf viele Arten ausdrückt hat, z.B. mit den Worten „der Vater und ich sind eins“.

Immer wieder versucht Jesus, diese Erfahrung seinen Jüngern verständlich zu machen und nahezubringen. Eine Erfahrung, die damals wie heute geeignet ist, ein Weltbild von Grund auf zu verwandeln und eine Lebensquelle in uns zu erschließen.

Welche Folgen das für die Ökumene hat, führt Jesus auch gleich aus, wenn er sagt „Glaube mir, Frau, es wird die Zeit kommen, zu der ihr den Vater weder hier auf den Bergen noch in Jerusalem anbeten werdet. Die Menschen werden auf eine ganz neue Weise lernen, Gott anzubeten: liebevoll und ehrlich, vor allem aber getragen vom Heiligen Geist. Bemerkenswert ist, dass Jesus, obwohl gläubiger Jude, nicht davon spricht, dass sich alle Menschen im Tempel in Jerusalem einfinden werden oder sollen. Der Ort ist nicht mehr wichtig, das entscheidende Kriterium liegt auf einer ganz anderen Ebene.

Für uns heute geht es dabei kaum um geografische Orte oder Gebäude aus Stein. Tempel und Berg können auch für ideologische Positionen, für religiöse Konzepte, für Lehr- und Glaubensgebäude stehen. Die meisten von uns sind in ihrem Leben in eine solche Tradition hineingewachsen. Sie gibt unserem Glaubensleben, unserer Gottsuche einen Rahmen. Diese Konzepte können uns helfen, in die richtige Richtung zu schauen. Sie können uns aber auch einengen, indem sie uns auf bestimmte Vorstellungen und Denkmuster festlegen. Und sie können uns voneinander trennen. Wie wir alle wissen, tun sie das auch.

Wir sind gemeinsam hier, weil wir alle davon träumen, dass dieses Ärgernis der Spaltung endlich überwunden werden kann. Wir hoffen natürlich darauf, dass das auch strukturell sichtbar wird. Doch für unsere tiefere Gemeinschaft ist es nach der Bibel nicht notwendig, dass wir uns alle auf ein gemeinsames Lehrgebäude einigen und alle theologischen und praktischen Unterschiede einebnen. Schon gar nicht müssen wir einander „bekehren“ und auf die eigene Seite ziehen. Jesus zeigt uns eine neue Ebene des Glaubens, die die jeweiligen Konzepte übersteigt. Das Gebet wird nicht von konfessionellen Vorgaben, sondern vom Heiligen Geist getragen sein. Johannes führt nicht näher aus, wie ein solches Gebet sein soll, und das mit gutem Grund. Ich denke, es hat genauso mit unserer Seelentiefe zu tun wie das Bild vom lebendigen Wasser: ein gegenwärtig sein vor Gott aus der Mitte, aus einer lebendigen Beziehung heraus, etwas, das sich aber letztlich einer Beschreibung entzieht. Es ist sogar ein wesentliches Merkmal dieser Ebene, dass wir von ihr nicht Besitz ergreifen können, sie nicht in Worten, Lehren oder gar Gebrauchsanweisungen festnageln können.

Keine Person, kein erleuchteter Guru, aber auch keine Gemeinde oder Konfession kann diese lebendige Gegenwart Gottes für sich in Anspruch nehmen. Die Gegenwart Gottes ist nicht etwas, das man hat. Sie ereignet sich, geschieht jedes Mal aufs Neue, immer geschenkhaft und unverfügbar. Wer versucht, sie zu institutionalisieren, errichtet einfach ein neues Gedanken- und Lehrgebäude. Einen neuen Tempel. Nichts gegen neue Tempel, wenn sie uns helfen, Gott näher zu kommen. Ich philosophiere selbst gern und baue immer wieder solche Gedankengebäude. Doch sollten wir uns bewusst sein, dass es sich hier um vorläufige Hilfsmittel handelt und nicht um den Heiligen Geist und die Wahrheit selbst.

Wir müssen uns also keine allzu großen Sorgen um unsere Rechtgläubigkeit machen. Gott ist sowieso immer überraschend anders und größer, lebendiger als wir denken können. Wir dürfen uns ohne Angst füreinander öffnen, für alles stärkende, tröstende, lebensspendende, das wir miteinander teilen können. Vielleicht werden ja auch uns dabei unerwartete Erfahrungen mit dem Geist Gottes geschenkt.“

 

Bericht in Pfarremauer.at Juli/August 2013

 

Den Heiligen Geist verschenken?

Gleichsam schon traditionell wurde am Pfingstmontag wieder der gemeinsame Gottesdienst der Pfarre St. Erhard-Mauer und der evangelischen Pfarrgemeinde Wien-Liesing gefeiert.

Bei einem ökumenischen Gottesdienst feiern die Vertreter der jeweiligen Kirchen „par cum pari“, also gleichberechtigt. Solche Gottesdienste ermöglichen es katholischen und evangelischen Christen, miteinander Gott Lob und Dank zu sagen, Gottes Wort gemeinsam zu hören und zu verkündigen, die christliche Gemeinschaft zu erleben, Segen zu erbitten und zuzusprechen.

Pfarrer Georg Henschling und Lektor Leo Warzecha von der evangelischen Pfarrgemeinde Wien-Liesing trugen gemeinsam dieses gleichberechtigte Miteinander. Leo Warzechas Predigt befasste sich dem Jahreskreis entsprechend mit dem Hl. Geist, und das in einer Art und Weise, die sowohl gedankenvoll als auch verständlich und nachvollziehbar war – ein gar nicht leichtes Unterfangen! Er zeigte den Gegensatz auf, dass viele Menschen nicht „religiös“ sein wollen, aber Spiritualität begrüßen. Mit einem einfachen Windrad machte er den Geist, der Menschen antreibt, begreifbar. Den weltlichen Maßstäben (Anspruchs- und Machbarkeitsdenken, Streben nach Glück) stellte er die Maßstäbe des Geistes (Leben als Geschenk aus Gottes Hand, Vertrauen, Gelassenheit, Sehnsucht nach dem Heil) gegenüber. Ausgehend von der Frage „Wie verkauft man den hl. Geist“ widersprach er der Tendenz, dass kirchliche Gemeinden sich durch Unternehmerberater vermarkten lassen. Es gebe nämlich nichts zu verkaufen, sondern nur etwas zu verschenken, indem die Botschaft hinausgetragen und dem Leben gedient wird. Tag für Tag müssen wir uns entscheiden, welchem Geist wir folgen. Das letzte Wort habe der Geist Gottes!

Nach der Predigt betete die Feiergemeinde gemeinsam das Nicänische Glaubensbekenntnis. Die Fürbitten widmeten sich sowohl dem Annähern an die Einheit unter den Christen als auch der Buntheit und Vielfalt der verschiedenen Konfessionen. Im Anschluss an den gemeinsamen Wortgottesdienst diskutierten die meisten der Mitfeiernden bei einer Agape im Pfarrzentrum, plauderten über Alltägliches oder genossen einfach nur die hervorragenden Jour-Speckweckerl, zum Teil begleitet von einem Glas Maurer Wein.
Und eines ist schon fix: Auch im nächsten Jahr wird der Gottesdienst am Pfingstmontag wieder ein ökumenisches Ereignis sein!

Christa Lattner

 

Weiterführende Links zum Thema Ökumene

Ökumenischer Rat der Kirchen in Österreich

World Council of Churches – Ökumenischer Rat der Kirchen weltweit

Ökumenischer Jugendrat in Österreich

Ökumene-Ausschuss des Vikariats Wien-Stadt

Erzdiözese Wien

Sozialwort des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich

Pro Religion – Eine Initiative der in Österreich anerkannten Kirchen und Religionsgesellschaften

Kirche in Österreich

Evangelische Pfarrgemeinde Wien – Liesing (Johanneskirche), Ecke Mehlführergasse/Dr. A.Zailergasse

 

 

Links zu allen in Österreich gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften

 

Altkatholische Kirche

Armenisch-apostolische Kirche

Bulgarisch-orthodoxe Kirchengemeinde zum Hl. Iwan Rilski

Evangelische Kirche in Österreich

Evangelisch-methodistische Kirche

Freikirchen in Österreich (Bund der Baptistengemeinden, Bund Evangelikaler Gemeinden, ELAIA Christengemeinden, Freie Christengemeinde – Pfingstgemeinde und Mennonitische Freikirche)

Griechisch-orientalische Kirchengemeinde zur Hl. Dreifaltigkeit

Griechisch-orientalische Kirchengemeinde zum Hl. Georg

Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich

Islamische Alevitische Glaubensgemenschaft in Österreich

Israelitische Religionsgesellschaft

Jehovas Zeugen in Österreich

Katholische Kirche

Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage (Mormonen)

Koptisch-orthodoxe Kirche

Neuapostolische Kirche in Österreich

Österreichische Buddhistische Religionsgesellschaft

Rumänisch-griechisch-orientalische Kirchengemeinde zur Hl. Auferstehung

Russisch-orthodoxe Kirchengemeinde zum Hl. Nikolaus

Russisch-orthodoxe Kirchengemeinde zu Mariä Schutz in Graz

Serbisch-griechisch-orientalische Kirchengemeinde zum Hl. Sava

Syrisch-Orthodoxe Kirche in Österreich